Wie Minimalismus dir dabei hilft, dich selbst zu entdecken
Minimalismus ist eine super Hilfe auf dem Weg zu sich selbst. In diesem Artikel erfährst du, wie du Minimalismus nutzen kannst, um mehr Klarheit darüber zu gewinnen, was wirklich zu dir gehört.
Was wir haben, beschäftigt uns
Die meisten von uns umgeben sich täglich Unmengen von Dingen. Dinge, um die man sich kümmern muss - ob man das will oder nicht. Abstauben, reparieren, aufräumen, durchwühlen um etwas zu finden. Wir beschäftigen uns mit den Dingen die wir besitzen, aber vor allem beschäftigen die Dinge UNS. Und zwar nicht nur die Dinge die wir sehen, sondern auch die, die wir in Kisten verstaut haben.
Den mentalen Load reduzieren
Wir haben im Hinterkopf, dass diese Dinge da sind. Und wenn wir nicht gut ausgewählt haben was wir aufbewahren, graut uns eigentlich permanent unterschwellig davor, die Kisten zu öffnen oder auch nur in deren Nähe zu kommen. Sei es die Chaos-Weihnachtskiste oder die unsortierten Unterlagen der letzten zwei Jahre. All das generiert unterschwellig eine Art Work-Load im Gehirn. Wir wissen dass die Dinge da sind, ob wir wollen oder nicht. Sie bilden eine Art Todo-Liste im Kopf. Wir können sie eine Weile ignorieren, aber wenn wir in die Nähe der dunklen Ecken mit den fiesen Kisten kommen, wird die Todo-Liste unweigerlich aktiv.
Wer suchet der findet?
Ein weiteres untrügliches Zeichen dafür, dass es an der Zeit ist, die Anzahl der Dinge zu reduzieren, ist: etwas zu suchen. Wenn ich Dinge suche, dann hat das bei mir normalerweise drei Ursachen, gerne in beliebiger Kombination:
#1 Die Dinge haben nicht ihren Platz: Kennst du den Ausspruch "Jedes Ding hat seinen Platz."? Ich kenne den auch. Aber ich lebe ihn bei weitem nicht so wie es bei mir angebracht wäre. Soll heißen, meine Dinge kommen mal hierhin, mal dorthin. Nicht, dass ich mir nicht sogar überlegen würde, wohin sie gehören. Ich ändere das nur sehr gerne immer wieder. Mein Mann freut sich besonders über die des öfteren umsortierten Utensilien in der Küche - er findet dann nämlich ebenfalls nichts mehr. Für viele Dinge habe ich mir aber tatsächlich nicht überlegt wohin sie gehören. Oder, auch ein Klassiker: ich pflege das Zuhause der Dinge nicht gut. Das heißt, die Dinge landen an einem Platz, der irgendwann eine Art Sammelbecken für alles mögliche wird und der einfach nur zumüllt. Was nützt es mir, wenn ich weiß, dass mein Notizzettel ganz bestimmt in diesem oder jenem Schrank liegen muss, wenn der Schrank einen halben Kubikmeter Kram beheimatet, den ich achtlos hineindrappiert habe.
#2 Die Dinge sind nicht an ihrem Platz: Wie gesagt, ich habe mir durchaus schon einigermaßen oft überlegt wo welche Dinge wohnen sollen. Aber lege ich sie immer dort hin zurück, wenn ich sie genutzt habe? Neeeeeeiiiiin. Natürlich nicht. Das wäre ja viel zu einfach. Und langweilig. Und manchmal eben auch etwas aufwändiger. Manchmal muss es eben schnell gehen (räusper) und dann lege ich die Dinge eben da ab wo ich eben gerade bin / vorbeikomme, um da hin zu gelangen wo ich vielleicht gerade gebraucht werde. Zum Beispiel auf dem Weg zur Toilette, um (m)einem 5-Jährigen beim Händewaschen zu helfen oder um einfach nur ganz flott zu verhindern, dass das Bad zum Schwimm-Bad umfunktioniert wird. Und nur um dann direkt vergessen zu haben, dass ich ja gerade etwas zur Seite gelegt habe ... Das rächt sich halt, denn die Zeit die man dann zum Suchen braucht, übersteigt bei weitem die Zeit, die man gebraucht hätte, das Ding einfach prominent zu platzieren oder direkt aufzuräumen. Kleiner Hack am Rande: mir hat es an dieser Stelle schon oft geholfen, wenigstens den Esstisch gerümpelfrei zu halten. Der steht recht zentral, also bin ich häufig in seiner Nähe. Werde ich gebraucht, lege ich was auch immer ich gerade benutze genau auf diesen (in der Theorie aufgeräumten) Tisch. Wenn er aufgeräumt ist, sieht man auch direkt bei der Rückkehr (oder spätestens beim Abendessen), was man eigentlich noch wegräumen wollte.
#3 Ich hab einfach zuviel: ja, diese Ecken gibt es bei uns einfach auch. Da kann man alles noch so toll organisieren - wenn einfach alles aus den Nähten platzt, wird man trotzdem kaum was finden. Und wenn der Raum nicht reicht, ist es halt trotzdem zuviel. Man kann dann sagen "Ich brauche einfach mehr Platz.", aber nach meiner Erfahrung löst das die Themen nicht wirklich. Es verschiebt sie nur.
Wenn wir ausmisten, schlagen wir gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Wir haken ab, was schon lange angepackt werden will und verabschieden uns von Dingen, die uns mehr Kraft rauben als sie uns schenken. Aber wie trennt man die Spreu vom Weizen? Hierfür gibt es zwei einfache Fragen.
Die zwei Zauberfragen
Und die sind zum Glück super simpel. Frage Nummer eins: "Mag ich dieses Ding?" Eine grandiose Frage. Mit dieser Frage bekommt man schon mal gut und gerne 50 Prozent des Hausstands gedanklich aussortiert. Wer damit schon mal ein paar Runden gedreht hat, kann die nächste Stufe zünden. Denn "Mag ich dieses Ding?" hat noch eine große Schwester. Und zwar: "Liebe ich dieses Ding?" Sehr kraftvoll. Aber auch anspruchsvoll. Denn es könnte sein, dass man feststellt, dass dann eigentlich gar nicht mehr viel übrig bleiben würde, wenn man sich diese Frage mal ganz ernsthaft und mit aller Konsequenz selbst beantwortet.
Und jetzt zu Frage Nummer zwei. Die ist ziemlich einfach zu beantworten, aber manchmal mag man die Antwort nicht. Die Frage lautet: "Wann habe ich dieses Ding das letzte mal benutzt?" Warum mag man manchmal die Antwort nicht? Weil es doch ziemlich hart sein kann, festzustellen, dass man all die tollen Bastelsachen für die Kinder eigentlich noch nie ausgepackt hat und dass man sich vielleicht nur noch anhand der Gebrauchsspuren daran erinnern kann, dass man die teure Saftpresse irgendwann mal benutzt haben muss. Wenn man also beschließt, allen Dingen den Laufpass zu geben, die man länger als 24 Monate nicht benutzt hat, kann es sein, dass man mehr Dinge los wird, als einem für's Erste lieb ist.
Ausmisten ist ein andauernder Prozess
Zum Glück muss man sich auch nicht direkt ins emotionale Unglück stürzen. Geht man langsam an die Sache ran, kann man Schicht für Schicht freilegen, ohne sich zu überfordern. Denn Ausmisten will verdaut werden. Selbst wenn es einem im Moment leicht fällt - es ist ein anstrengender Prozess. Vor allem innerlich. Da wo Platz wird, wollen sich die Gedanken und Gefühle neu organisieren. Gibt man diesem Prozess Raum, legt man immer tiefere Schichten frei und irgendwann gelangen wir bei unserem Kern an. Bei unserer Essenz. Deshalb mag ich den Begriff Essentialismus auch ein wenig lieber als das Wort Minimalismus. Denn Essentialismus trifft besser, worum es eigentlich geht: wir wollen nicht einfach nur weniger - sondern das Richtige behalten, nämlich das wodurch wir uns ausdrücken in unserem Sein und Streben. Die Dinge, die uns wirklich Kraft geben.
Die 100-Dinge-"Übung"
Wenn du mal Lust auf ein aufregendes Experiment hast, dann sei dir die 100-Dinge-"Übung" ans Herz gelegt. Stell dir vor, du würdest eine eine Liste ALL deiner Sachen machen. Wirklich ALL deiner Sachen. Auch die Sachen, die du doppelt hast. Auch die Sachen, die nicht mehr funktionieren. Auch die Sachen, die du in die dunkelsten Ecken geschoben hast, weil du sie eigentlich überhaupt nicht magst. Jedes Besteckteil, jede Socke. Jedes Buch. Jeder Stift. Jede Batterie. Jedes Ersatzteil. Jede Wäscheklammer. Jeden Blumentopf. Und den Inhalt vom Blumentopf. Jede Vase, jedes kleine Dekoteil. Herumstehend oder in Kisten im Keller. Das ergibt eine Liste mit vermutlich wirklich vielen Sachen. Nämlich einfach ALLEN Sachen. Wieviele Dinge kämen da zusammen? Vermutlich ein klein wenig über hundert. Oder ein klein wenig über tausend. Verrückt oder?
Aber es geht noch weiter! Stell dir vor, du würdest nun alle diese gelisteten Dinge nummerieren. Und zwar einer Priorisierung folgend. Heißt: dieses eine "Etwas", das für dich absolut lebenswichtig ist - wichtiger als alles andere - das bekommt die Nummer 1. Das zweitwichtigste bekommt die Nummer "zwei". Und so weiter. Je weiter die Zahlen steigen, desto unwichtiger und ersetzbarer werden die Dinge für dich.
Und wir sind immer noch nicht fertig. Jetzt nimm deine imaginäre - oder auch reelle Liste, wenn du ganz motiviert und abenteuerlustig bist 😉 - und streiche alle Dinge ab der Zahl 101 einfach durch. Und jetzt kommt das Beste: alle Dinge, die eine Zahl größer 100 zugeordnet bekommen haben, dürfen dein Umfeld verlassen. Und dann bewundere was übrig bleibt. Das ist das, was wirklich zu dir gehört. Wow. Waghalsig, oder?
Entfernen wir die unnützen Dinge Schritt für Schritt, bleiben automatisch nur die wichtigsten Dinge übrig. Wie einfach!
Was beim Entrümpeln hilft
Man muss aber nicht alles auf einmal umkrempeln. Wirklich nicht. Man kann das auch Runde für Runde machen. Und jede Runde auf's Neue feiern! Denn wenn man das Ausmisten zelebriert, geht es viel leichter von der Hand. Ich hab hier für dich ein paar Beschleuniger, die ich selbst schon genutzt habe:
#1 Musik: Mit Musik macht fast alles direkt mehr Spaß. Dabei sollte der Stil passend gewählt werden. Melancholische Songs könnten weniger hilfreich sein. Aber hör da ganz auf deinen Bauch. Bei welcher Musik fühlst du dich stark? Welche Musik passt zu deinem aktuellen Entrümpelungsprojekt? Vielleicht ein flotter Beat? Gute-Laune-Musik? Es gibt auf den üblichen Portalen unendlich viele Playlisten - probier vielleicht auch einfach mal eine neue aus.
#2 Schlechte Laune: Wie bitte? Echt jetzt? Ja, ich meine das ernst. Mit schlechter Laune tun wir uns manchmal leichter, Dinge objektiver zu entscheiden. Wenn ich so richtig genervt bin, sortiere ich mega gerne aus - denn ich bin dann wirklich effektiv. Ich hab dann genug Energie, um Dinge rauszuschmeißen, die mich eigentlich schon lange nerven und die ich nur behalten hab, weil ... warum auch immer. Die Gründe sind mir dann einfach Wurscht. Es zählt dann nur: Lieb ich es?! Benutz ich es?! Am besten funktioniert das, wenn die Dinge direkt aus den Augen verschwinden. Ich hab schon Dinge verschenkt, für die ich vielleicht noch ein paar Euro bekommen hätte, einfach weil ich mich nicht nochmal damit beschäftigen wollte und weil verschenken einfach schneller geht. Ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Kurzer Hinweis noch: wichtig wäre mir noch, zu erwähnen, dass man schlechte Laune nicht mit trauriger Laune verwechseln sollte. Wenn man traurig ist, sollte man nicht aussortieren. Dann ist eher Selfcare gefragt.
#3 Ein mitreißendes Ziel, wie "Alles muss weg": Immer mal wieder auszusortieren ist hilfreich, aber wirklich einen Unterschied in der Herangehensweise wird man feststellen, wenn man weiß, dass man in ein paar Wochen oder Monaten eine Langzeitreise macht oder sich für den Umzug in ein Tiny-House entschieden hat. Das ist wie ein Booster, der einem dabei hilft, auch die Kisten anzupacken, die man schon zweimal ungesehen mit umgezogen hat. Ich sortiere mittlerweile gerne grundsätzlich mit dem Gedanken "Alles muss weg!" aus. Behalten wird nur, was auf GAR KEINEN FALL verschwinden darf. Ich dreh den Spieß also um, indem ich nicht frage "Was kann weg?", sondern "Was muss auf jeden Fall bleiben:" Und damit nicht zuviele Dinge bleiben wollen, wechsele ich diese Frage mit dem erwähnten Gedanken "Alles muss weg!" ab.
Sei achtsam und nett zu dir selbst
Was meiner Meinung nach bei der ganzen Ausmisterei super dolle wichtig ist, ist eine ordentliche Portion Selbstfürsorge. Ich habe es schon miterlebt, dass jemand schweren Herzens seine Kinderbücher aussortierte, damit Platz wird - und dabei völlig überfordert war und fast zusammenbrach als die Bücher unwiederbringlich weg waren. Der emotionale Wert ist manchmal größer, als wir uns eingestehen wollen. Wir dürfen lernen, gut in uns hineinzuspüren und einen Weg mit uns gemeinsam zu suchen. Und wenn wir noch nicht bereit sind, Dinge loszulassen, dann ist das absolut in Ordnung. Dann macht man an anderer Stelle weiter - da wo es eben gerade einfacher von der Hand geht. Oder man macht eine Pause, um neue Kraft zu schöpfen.
Und du?
Hast du schon mal sowas ausprobiert? Hat es Spaß gemacht? Warst du mit dem Ergebnis zufrieden? Oder hättest du am liebsten hingeschmissen? Denk daran, geduldig mit dir selbst zu sein. Schritt für Schritt für Schritt für Schritt. 🙂
Alles Liebe,
Rebecca