Familie: Wie Umdeuten dabei hilft, Reaktionsmuster zu verändern - Innovation Mindset und Life Design

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Familie: Wie Umdeuten dabei hilft, Reaktionsmuster zu verändern

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Familien: Wie Umdeuten dabei hilft,  Reaktionsmuster zu verändern

Wenn wir so durch die Welt gehen, wiederholen wir tagein, tagaus was uns so mit auf den Weg gegeben wurde. Oft ist das super funktional. Manchmal aber eben auch nicht. Wenn Kinder - oder auch Partner 😉 - Dinge tun, die wir wirklich überhaupt nicht gut finden, kann es manchmal echt hilfreich sein, eine andere Brille parat zu haben. Hier kann das Umdeuten wirklich hilfreiche Dienste leisten. Beim Umdeuten werden eine Situation oder gezeigtes Verhalten einfach unter einem positiven Blickwinkel betrachtet, indem man dem Ursprung des Ärgernisses zum Beispiel konsequent gute Absichten unterstellt und auf dieser Basis alle weiteren Reaktionen wählt.

Der matschige Käfer

Ich hab ein Beispiel für euch. So oder ähnlich aus meinem Alltag. Ein kleines Kind entdeckt einen matschigen, möglicherweise toten Käfer und will ihn in die Hosentasche stecken. Da könnte man schon mal auf die Idee kommen, das unappetitlich zu finden und zu ausrufen "Schon wieder so ein Ding - lass das ja draußen! Und wasch bloß deine Hände, wir essen gleich!". Die Haltung die damit transportiert wird: "Jedes mal ärgerst du mich mit diesem Viehzeug. Ich mach mir Sorgen um die Hygiene und will, dass du jetzt sofort etwas machst, damit ich diese Sorgen wieder los werde! Warum ärgerst du mich dauernd?"

Und hier können wir jetzt ganz getrost direkt stoppen. So wird das nix mit echter Beziehung. Zumindest nach meiner Erfahrung mit unserem kleinen Abenteurer - in seinen Augen hatte mein kleiner Sohn schon sehr oft ein absolut berechtigtes Interesse an solchen Matsch-Dingern. Sofort die Augenverdreh-und-Sorgen-Mecker-Maschine anzuwerfen, hat bei uns schon für die tollsten Konflikte gesorgt. Bis ich irgendwann verstand, dass ich mich auf ihn einlassen will.

Statt Schimpfen, versuche ich nun immer wieder bewusst einen Schritt zurückzutreten und dann echtes, einfühlsames Interesse zu zeigen. Und vielleicht sogar neugierig nachzufragen: "Oh, was hast du denn da? Ist dir dieses Tier wichtig? Was könnte das (mal gewesen) sein? Willst du es jemandem zeigen? Ich möchte nicht, dass es in deiner Hosentasche wohnt - wo könnten wir es stattdessen hineinlegen?"

Dabei ist es egal wie man Interesse zeigt. Solang es ehrlich gemeint ist. Es wird schon allein deswegen anders laufen, weil die Haltung an sich eine völlig andere ist! Ist sie von Vertrauen und Respekt geprägt, fühlt sich das Kind ernst genommen und es öffnen sich Türen, zu echter Beziehung. Und zumindest unser Abenteurer reagiert tatsächlich darauf! Wenn auch nicht immer so wie ich mir das vorstelle - aber wenn ich eine wertschätzende und vor allem ernst-nehmende Haltung lebe, ist fast immer Kommunikation möglich. Und früher oder später springt dann auch des Öfteren eine schöne Lösung für alle raus.

Die Haltung macht's

Ich habe es wirklich selbst erlebt, wie überrascht Kinderaugen schauen können, wenn die Eltern nicht mit Schimpfen, sondern plötzlich mit Neugier reagieren. Und wie ok es für sie ist, wenn sie gesagt bekommen was nicht geht - solange danach direkt eine Türe in Form eines Beziehungsangebotes für sie auf geht.

Mithilfe von Umdeuten kann man tatsächlich sogar ganze Lebensgeschichten neu schreiben. Dies wird beispielsweise in einer Therapieform namens Re-Authoring eingesetzt, um Ressourcen zu heben. Doch auch im Kleinen kann jeder das Umdeuten, auch Refraiming genannt, nutzen, um dem eigenen Umfeld mehr Vertrauen, Wohlwollen und damit Beziehungsqualität zu spendieren. 

Der Zauber im Umgang mit anderen Menschen und mit der Familie hier im Speziellen liegt meiner Meinung nach im konsequenten Wechsel der Haltung. Und das funktioniert schon für Mini-Situationen - ja, sogar Augenblicke.

Kritik hilft nicht beim Wachsen

Wechselt man Kritik gegen Vertrauen, kann das Wunder bewirken. Jetzt denkst du vielleicht "Aber Kritik hilft doch beim Wachsen! Ohne Kritik wird man doch nicht besser!" So hab ich das auch mal gelernt. Mittlerweile halte ich dagegen. Auch wenn ich weiß, dass es sowas wie konstruktive Kritik geben kann. Aber vor allem wenn es sich um die Familie dreht - und explizit bei Kindern - halte ich Kritik seltenst für angebracht. 

Eine Kollegin sagte mal sowas in der Art zu mir: "Der Terminus 'professioneller Umgang', ist nur erfunden worden, um Menschen klein zu halten." An Menschen herumzumäkeln - sei es im beruflichen oder familiären Kontext, und dabei auch noch Duldung zu erwarten, ist nicht hilfreich. Das gilt - in meinen Augen - umso mehr in der Familie.

In den letzten Jahren durfte ich viel von und mit meiner Familie lernen. Und eins ist mir dabei besonders klar geworden: man muss nicht ständig an den Kindern herumzupfen, damit sie sich auch wirklich zu nützlichen gesellschaftlichen Elementen entwickeln. Für mich besteht der Job als Mami vor allem darin, sie auf ihrer Reise zu einem gesunden Selbstwertgefühl zu begleiten. Sie sollen Selbstwirksamkeit erleben und gelebtes Vertrauen spüren dürfen. Und nein, das heißt nicht, dass bei uns alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Auch ich habe gelernt STOP zu sagen und auch mal eine Eskalationsstufe zu zünden. Und  ich werde sicher noch eine Weile damit beschäftigt sein, zu lernen, in welchem Kontext welche Reaktion am hilfreichsten und gesündesten für alle Beteiligten ist.

Beziehung statt Erziehung

Das Prinzip "Erziehen" ist eine Art Weltanschauung, die man anziehen und ablegen kann wie einen Mantel. Es ist eben dieses "Herumzupfen", das man tun oder eben lassen kann. Das Prinzip "erziehen" so wie ich es kennen gelernt habe, geht davon aus, dass mit den Kindern etwas nicht stimmt und dass man sie korrigieren muss, sobald ihnen ein Fehler unterläuft. Das ist eine Haltung die unter Erwachsenen schon wirklich unangenehm ist. Wenn Mami und Papi sie gegenüber den Kindern an den Tag legen, ist sie umso unschöner. Unschöner nicht nur für die Kids, sondern wirklich auch für die Eltern. Weil: das Gefühl das unweigerlich in einer "Jetzt muss ich schon wieder tadeln!"-Situation aufkommt, ist auch für die Eltern alles andere als schön. Ich kenne solche Situationen und finde sie einfach nur nervig. Und frustrierend. Denn: sie führen zu nix. Außer der Tatsache, dass sie sich ständig wiederholen. Nach dem immer gleichen Schema. So war das zumindest oft bei mir. Es kommt mir im Nachhinein so vor, als wären die Kinder manchmal in einer Art Dauerschleife verhakt gewesen, die wir aus Versehen installiert hatten und aus der sie nicht herausfanden und die immer und immer wieder unschön unterbrochen werden musste.

Sich mit den Kids die Welt schönreden

Augen öffnend war für mich ein Kurs mit zwei Familienberaterinnen. Sie erklärten wie eine hilfreiche Reaktion auf ein ungeliebtes Ereignis im Kleinkind-Alter aussehen kann. Szene: das kleine Kind nimmt beim Essen den Löffel und verteilt das Happihappi spontan und unverblümt auf dem Boden oder wahlweise auch auf Einrichtungsgegenständen oder Erziehungsberechtigten. Wir stellen uns also vor wir haben einen riesigen Klecks orangen Bio-Möhrenstampf auf Stuhl und Boden. Mit Leinöl versteht sich. Die meisten von uns haben folgende Reaktion im Programm: schimpfen und sauer werden. Bei Wiederholung gerne auch eine deutliche Ankündigung "Wenn du das nochmal machst, dann ...!" Alternative? Die beiden Pädagoginnen haben folgendes vorgeschlagen, zumindest ist es mir so in der Richtung in Erinnerung geblieben: "Nein, das machen wir nicht. Wir nehmen jetzt diesen Löffel und packen da jetzt genau diese kleine runde grüne Erbse mit dem Möhrchenenstampf drauf. Und dann ab damit in den Mund." Und zwar freudestrahlend! Zu Beginn vielleicht ganz kurz etwas ernster (wenn wir dabei sind, kurz zu zeigen, dass wir das nicht so haben wollen). Aber dann sofort liebevoll. Und zwar mit exponentiellem Anstieg.

Game-Changer zum Ausprobieren

So. Ich war völlig baff. Das kannte ich so nicht. Ich war von Haus aus immer bemüht wirklich einen geduldigen und liebevollen Umgang zu pflegen. Aber in einer Ich-hab-jetzt-aber-allen-Grund-mich-zu-ärgern-Situation nach einem kurzen Stop einfach zur Tagesordnung überzugehen, war mit ernsthaft neu. Nun habe ich kein Kleinkind mehr, aber Ich-hab-jetzt-aber-allen-Grund-mich-zu-ärgern-Situationen kenne ich trotzdem. Das Tolle: dieser Trick funktioniert für mich in wirklich vielen Situationen! Ein kurzes "Stop, so nicht." und dann direkt freundliche Worte. Wirkt Wunder. 

Nochmal: Beziehung statt Erziehung

Das Tolle: so ganz nebenbei wird Vertrauen aufgebaut. Die Eltern lernen, offener mit den täglichen Herausforderungen umzugehen und nicht von vornherein schon ein "war ja klar" zu pachten. Sondern vielmehr, die schönen Momente genießen und die ärgerlichen kurz halten. Und die Kinder? Ich bemerke ein starkes Zusammenrutschen. Große Augen, die zu sagen scheinen: "Mama denkt gar nicht, dass ich verkehrt bin! Sie hat mich lieb!" So werden Negativspiralen durchbrochen, die auf elterlicher vielleicht sogar unbewusster Verurteilung und kindlicher Schutz-Abwehr-Haltung basieren. Ich kenne dieses Spiel nämlich nur zu gut: Kind macht Quatsch, Mama wird sauer "Schon wieder?!", Kind kommt nicht mehr raus aus der Nummer und macht direkt weiter. Eins gibt das andere. Seitdem ich das Umdeuten übe, eskalieren Situationen bei uns viel viel seltener. Ist vielleicht auch Zufall. Aber es fühlt sich auf jeden Fall nach viel höherer Beziehungsqualität an. Sicher gibt es Rückschläge. Und sicher gibt es Situationen, da funktioniert das warum auch immer einfach nicht. Aber ich habe erlebt, dass alles definitiv einen ordentlichen Schritt in die richtige Richtung geht. Das Lustige ist, es macht nach den ersten Gehversuchen wirklich Spaß das zu üben! Und man kann es auch auf Interaktionen zu anderen Menschen anwenden - zum Beispiel beim eigenen Partner (oh, da hab ich wirklich noch Übungsbedarf). 

Umdeuten als Vertrauensvotum

Das Großartige ist, dieses Umdeuten hört nicht bei der Haltung auf, sondern fängt dort eigentlich erst an. Es ist so spannend, wenn wir eintauchen in das Meer der "mein Kind ist völlig ok wie es ist"-Möglichkeiten. Wie oft tun Kinder Dinge, die uns peinlich sein könnten. Dinge wegnehmen, hauen, nicht teilen, nicht "Hallo" sagen (manch anderer Erwachsener findet das super schlimm).

Wenn wir unser Kind nicht verurteilen für das was es tut, gehen wir mit gutem Beispiel voran. Wir vermitteln, dass wir vertrauenswürdig und verlässlich sind. Und das heißt nicht, dass wir nicht zurückmelden dürfen, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Keineswegs. Auch das ist etwas, das ich wie oben schon angedeutet immer noch lerne - ernsthaft Stop sagen. Aber so oft kommen diese Stop-Situationen gar nicht vor. Vielmehr fühlen wir uns im Alltag genötigt einzugreifen, wo das Kind eigentlich selbst gerade ausprobiert was Sinn macht und was nicht. Was es fühlt und was nicht. Was es ausdrücken möchte und was nicht. Wenn wir unserem Kind Vertrauen entgegenbringen, können wir viel von ihm lernen. Wenn wir unsere Kinder liebevoll betrachten während aller Höhen und Tiefen und auch wenn sich nervige Situationen ständig zu wiederholen scheinen, werden wir alle reichlich belohnt. Die Kunst besteht darin, nicht selbst das Vertrauen zu verlieren, nach dem Motto "Das muss er/sie doch jetzt mal endlich lernen!". Denn oft kommen diese Gedanken von außen. Wir haben sie übernommen - oder sie werden uns nahegelegt von Außenstehenden. Lasst euch nicht verunsichern. Alles zu seiner Zeit. Und ja, auch ich stecke nicht immer bis zum Hals im Vertrauen. Ich kenne die Zweifel. Ich kenne die blanken Nerven. Umso dankbarer bin ich für die Haltung des Umdeutens. Denn für mich ist sie wirklich ein Gamechanger - ein Gamechanger, der mich lehrt, im Vertrauen zu leben - und mir wirklich reichlich Übungsmaterial zur Verfügung stellt. 

Wie du das ausprobieren kannst

1. Setz dir einen realistischen zeitlichen Rahmen, in dem du nicht meckern möchtest. Wähle dafür vielleicht ein Zeitfenster, in dem du ausgeruht und guter Laune bist. Vielleicht eine Stunde lang, z.B. nach dem Mittagessen. Oder auch den ganzen Tag, wenn meckern bei euch ohnehin selten vorkommt. Schau was für dich passt und mach es dir dabei für den ersten Versuch WIRKLICH so einfach wie möglich!

2. Achte auf Trigger - also Auslöser, die deine wunden Punkte treffen. Dreck machen, krank werden, bummeln, schreien, ... was auch immer für dich zutrifft.

3. Und dann wird es spannend. Wenn du merkst, dass es direkt aus dir heraussprudeln will, atme in Ruhe durch und kuck dir die Situation von einer Vertrauens-Perspektive aus an (es sei denn es wird tatsächlich gefährlich). Das Kind ist nicht dafür da, uns Erwachsenen alles recht zu machen und Regeln zu befolgen. Meine Meinung. Was also tut das Kind gerade für sich selbst? Was für ein Geschenk macht es uns damit gerade? Erkennen wir sein Kooperationsangebot?

4. Sei offen, auch wenn es für dich vielleicht in vielerlei Hinsicht Mehraufwand bedeutet (z.B. mehr Zeit für eine Erklärung oder das Hinterherputzen). Lass das Kind die Welt entdecken und lass dir die Welt von deinem Kind zeigen.

5. Hab aber trotzdem für dich auch klar, welche Grenze für dich nicht überschritten werden darf. Dinge zerstören oder Frust an der Schwester auslassen, sollte gestoppt werden. Kleine Erinnerung: ich schreibe auch hier nicht als Expertin, sondern ganz simpel aus meiner persönlichen Erfahrung, ich schreibe inspiriert durch Aha-Momente beim Lesen von Jesper-Juul-Büchern und durch Gespräche mit lieben PädagogInnen. Vielleicht ist ja was dabei für dich. 

Und du?

Hast du das so oder ähnlich schon mal ausprobiert? Wie lief es? Was lief gut, was nicht? Ich möchte dich ermutigen, wirklich dran zu bleiben. Manches braucht seine Zeit - Edelsteine findet man meist nicht an der Oberfläche. Man muss schon buddeln. 😉

Alles Liebe,
Rebecca



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Über die Autorin

Hallo, ich bin Rebecca

Ich jedem von uns steckt ein Herz voller Innovation und Schaffenskraft. Wir dürfen diese Kraft einfach neu entdecken in uns. Genau dafür entwickle ich ganzheitliche Angebote - damit wir lernen, dass es für uns selbstverständlich sein sollte, unser Leben und unser Business so zu gestalten, wie es eigentlich sein sollte.