Warum du besser die richtigen Dinge falsch machen solltest
Viele von uns bemühen sich, die Dinge richtig zu machen. Richtig und natürlich auch schnell. Aber was produzieren und kreieren wir dabei eigentlich? Und könnte es nicht auch manchmal sinnvoll sein, Fehler machen zu wollen? Und kommen wir mit Fehlern vielleicht sogar unserem persönlichen Weg besser auf die Spur?
Warum wir Fehler nicht mögen
Als Fehler bezeichnen wir Dinge, die ungewollte Ergebnisse hervorbringen. An und für sich sind diese Dinge und deren Ergebnisse aber eigentlich vollkommen neutral - nur unsere Erwartung macht sie zu Fehlern. Das Wort Fehler bezeichnet dabei nicht nur ein anderes Ergebnis, sondern eines, das man lieber vermieden hätte.
Oft werden wir von Kleinauf dazu erzogen, keine Fehler zu machen. Wer keine Fehler macht, kommt oft besser durch, als jemand, der Neues wagt und sich dabei Schnitzer erlaubt. Wir lernen, die Dinge perfekt zu machen. Und zwar die immer selben Dinge.
Wir lernen, die Dinge perfekt zu machen.
Und zwar die immer selben Dinge.
Wir lernen, in der sicheren Zone zu bleiben. Die Folge: Dienst-nach-Vorschrift, Perfektionismus und Nach-außen-Gerichtetheit. Und das wiederum führt dazu, dass man den Kontakt zu sich selbst verliert. Eine Anti-Fehler-Kultur raubt uns nicht nur den Selbstbezug, sondern schlicht und ergreifend grundlegend den Mut, Dinge zu erforschen und auszuprobieren. Wir arbeiten und leben dadurch nach Schablonen. Entdeckergeist? Ähhhh ... Unternehmertum? Puh ... Aber es gibt eine gute Nachricht: es gibt so etwas wie ein Gegenmittel. Eines das uns Menschen eigentlich von Geburt an innewohnt. Nämlich Neugier.
Neugier als Fehler-Willkommen-Haltung
Neugier ist eine Haltung. Eine offene, nicht verurteilende, nicht gehetzte und vor allem optimistische und vertrauensvolle Haltung. "Was ist da denn jetzt rausgekommen? Was könnten die Vorteile davon sein? Wie könnte es von hier aus weitergehen?" Um es schon vorneweg zu nehmen: das funktioniert nicht immer. Muss es aber auch gar nicht. Wichtig ist eigentlich nur, dass wir wissen, dass wir die Möglichkeit dazu haben, neugierig zu sein und dass es durchaus Vorteile gibt, wenn man neugierig denkt und handelt.
In größeren Unternehmen gibt es mittlerweile sogar eigene Programme, die Neugier und Entdeckergeist fördern. Sie sollen dazu beitragen, die Mitarbeiter unternehmerischer denken zu lassen. Und sie ermuntern Mitarbeiter explizit dazu, Fehler zu machen! Warum? Weil man im Perfekt-Modus nur die Dinge tut, die immer getan werden - nur eben noch perfekter. Und so lassen sich nur schwerlich Innovationen hervorbringen - denn Innovationen brauchen neue Wege. Und neue Wege wiederum wollen wie ein Pfad durch einen Dschungel gebahnt werden. Das wichtigste Werkzeug heißt dabei dann halt nicht Machete, sondern: Fehler. Das heißt: willst du Fehler vermeiden, lässt du ganz einfach eines der wichtigsten Handwerkszeuge ungenutzt!
"Willst du Fehler vermeiden, fehlt dir eines der wichtigsten Handwerkszeuge!"
Wie können wir also einen liebevolleren und wertschätzenderen Blick auf Fehler entwickeln? Was soll das überhaupt? Können wir nicht einfach alles so lassen und Fehler einfach weiter doof finden? Gibt es gute und schlechte Fehler? Schauen wir uns dafür einfach mal an welche Strategien es gibt, um ein Vorhaben in Angriff zu nehmen.
Effizienz versus Effektivität
Dafür bedienen wir uns der Begriffe Effizienz und Effektivität, sie leisten uns im Weiteren wertvolle Dienste. Effizienz bedeutet sowas wie: "die Dinge richtig tun", also z.B. mit möglichst geringem Aufwand. Das Gegenteil wäre: "die Dinge falsch tun". Wohingegen Effektivität bedeutet "die richtigen Dinge tun". Also in andersrum eben auch: "die falschen Dinge tun". Langsam wird schon vielleicht schon klarer, dass es Fehler gibt, die hilfreich sind und dass es auch Fehler gibt, die nicht wirklich zu etwas führen. Aber der Reihe nach. Denn eigentlich wollen wir sowohl Effizienz, als auch Effektivität zur selben Zeit. Das Richtige richtig machen. Ich sag euch gleich: das wird nix. Zumindest nicht von Anfang an. Womit also starten? Denn die Reihenfolge macht den Unterschied.
Die Dinge falsch zu machen ist nämlich nur dann wertvoll, wenn wir uns mit den richtigen Dingen beschäftigen. Andersherum formuliert: die falschen Dinge richtig zu machen birgt die Gefahr, dass wir die ganze Zeit das Gefühl haben, auf dem falschen Pferd zu sitzen - obwohl es die ganze Zeit rennt, kommt es nicht im Ziel an! Weil es aber rennt, denken wir nicht daran, abzusteigen. Deshalb sind Pausen so wichtig. Sie geben uns die Möglichkeit abzusteigen und zu überprüfen, ob wir wirklich die richtigen - also in unserem Kontext hier die zu uns passenden - Dinge tun. Und die zu uns persönlich passenden Dinge erfordern oft mehr Lernen und kosten mehr Fehler als die vorgegebenen Dinge. Also: erst mal die richtigen Dinge identifizieren und die dann gerne auch mal falsch anpacken. 😉
Innovation braucht Fehler
Wer von Beginn an fehlerfrei sein möchte, dem sei gesagt: fehlerfrei heißt "ich kenne diesen einen Weg sehr gut und ich bleibe einfach da wo ich alles perfekt machen kann" (Effizienz). Das sagt absolut gar nichts darüber aus, wie gut der Weg grundsätzlich ist (Effektivität). Viel wichtiger wäre also die Frage: "Sind wir wirklich glücklich mit dem Weg?" Oder "Würde ich es gerne anders machen, habe aber Sorge Fehler zu machen?"
Wenn ich mich recht entsinne hat Edison für die Erfindung der Glühlampe über eintausend Versuche gebraucht. Und er soll gesagt haben, er kenne nun eintausend Wege, wie eine Glühlampe NICHT funktioniert. Er hat nicht aufgehört und er hat nicht versucht, Fehler zu vermeiden. Sonst hätte er einfach die altbekannte Petroleum-Lampe umgestaltet. Da wusste man ja wie es geht. Befüllen, Docht einstellen, anzünden, fertig. Edison ging stattdessen einen anderen Weg. SEINEN Weg. Wir alle sind aber keine Edisons. Nur Edison war Edison. Wir sind wir. Und das ist perfekt. Samt allen Fehlern. Trotzdem können wir etwas von ihm lernen: nämlich das Umdeuten von Fehlern. Etwas das sich für uns wie ein Fehler anfühlt, ist einfach eine Möglichkeit zu lernen und die Dinge zu hinterfragen. Vielleicht sind wir ja einer großen Innovation auf der Spur. Und diese Innovation könnten wir vielleicht sogar selbst sein.
Fehler-froh statt Fehler-frei
Es gibt ja bekanntlich größere und kleinere Fehler. Solche die man revidieren kann und solche die jetzt halt irgendwie da sind und die vielleicht sogar für immer so stehen bleiben werden. Fehler fühlen sich so oder so einfach blöd an. Wir wollen ja vielleicht möglichst smart sein und uns anerkannt fühlen. Was aber, wenn wir mal den Blick verändern? Was, wenn dieser eine ganz dumme Fehler, auf den wir getrost hätten verzichten könnten, gar nicht verkehrt war, sondern wichtig? Und wenn auch die anderen kleinen Fehler, einfach Hinweise in einem Rätsel sind? Was wenn Fehler gar keine Fehler sind?
"Was wenn Fehler gar keine Fehler sind?"
Bei Fehlern sind vielleicht die Dinge einfach anders gelaufen und das bietet uns eine Einladung, unsere Aufmerksamkeit zu verschieben. Die Frage ist, wohin verschiebt sie sich? Richtet man die Energie ins Klein-Klein oder in die Innovation? Geht man zu tief ins sich-ärgern, könnte es sein, dass man geradewegs dabei ist, die falschen Dinge richtig machen zu wollen. Geht man den Dingen frohen Mutes auf den Grund, könnte sich herausstellen, dass am gesamten System etwas nicht stimmt (Effektivität). Ein "weiter - aber bitte fehlerfrei" wäre dann nur Symptomkorrektur (Effizienz). Verschieben wir also die Aufmerksamkeit in Richtung Effektivität: die richtigen Dinge - gerne mal falsch - machen!
Effektive Selbst-Innovation für Entdecker
Wenn du also immer wieder mal das Gefühl hast, dass die Dinge für dich eigentlich irgendwie anders laufen sollten, könnte es Zeit sein, Neuland zu betreten. Um Erfahrungen zu sammeln, Dinge auszuprobieren und - um Fehler zu machen. Niemand startet beispielsweise in eine neue Sportart, ohne Fehler zu machen. Es würde einfach keinen Sinn machen, Fehler grundsätzlich vermeiden zu wollen - weil wir dann nämlich NICHTS TUN. Wir würden im Kopf hängen bleiben. Und im Kopf machen sich die meisten Sportarten nicht so gut. Außer Denksport vielleicht. Und auch da nur vielleicht. Was machen wir also, wenn wir eigentlich immer gern alles perfekt machen wollen?
"Die Frage ist, was machen wir jetzt daraus?"
Also: wir wollen ja die für uns richtigen Dinge richtig machen. Um das zu lernen, müssen wir anfangen, uns mit den richtigen (Erinnerung: zu uns passenden) Dingen zu beschäftigen und etwas damit TUN. Was passiert wenn man im Neuland etwas tut? Tadaaaa! Wir werden Fehler machen! Wenn wir also die richtigen (zu uns passenden) Dinge tun, sind Fehler ein super Zeichen, dass wir ein Lernfeld gefunden haben und dabei sind, die Lernkurve emporzuklimmen.
Bist du wirklich im passenden Lernfeld unterwegs?
Wie aber finden wir nun heraus ob wir das richtige Lernfeld beackern und die passende Lernkurve hochkraxeln? Ich würde dir dafür folgende Kriterien vorschlagen:
1. Du findest das Thema super dolle spannend. Jeden Tag auf's Neue begeistert? Wenn du dich mit einem/r netten Bekannten über das Thema unterhältst, kommst du vom Hundertsten ins Tausendste? Und sprühst nur so vor Energie?
2a. Wenn du noch nicht losgelaufen bist: Du hast super Angst, dabei Fehler zu machen. Und legst das Thema lieber schnell wieder zur Seite. Allerdings musst du es immer wieder neu zur Seite legen, weil es genauso immer wieder auf deinen Schoß springt und deine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
2b. Wenn du schon losgelaufen bist: Du machst viele oder wahlweise große Fehler und fühlst dich echt bescheiden dabei. Und du findest, dass das eben ein Zeichen dafür ist, dass dir das nicht liegt. (Anm. d. "Redaktion": Vorsicht, Holzweg I). Und in deinen Augen gibt es da draußen schon sooooo viele Menschen, die das so viel besser können als du. (Anm. d. "Redaktion": Vorsicht, Holzweg II).
Wenn du an etwas arbeitest, das dir nicht so wichtig ist, ist es dir auch eher Wurscht wenn du Fehler machst. Mir fallen spontan zwei Gründe ein, weshalb das so ist: du bist emotional nicht involviert (und damit weniger verletzlich) und die Peer-Group, also deine Bezugsgruppe in Form der anderen Menschen in diesem Umfeld, hat keine so große Bedeutung für dich. Ihr Urteil ist für dich schlicht und einfach nicht relevant.
Aber wenn uns doch was wichtig ist, wie geht das dann mit dem Fehler machen? Hier eine Anleitung, wie du lernst, die richtigen Dinge falsch zu machen.
Die richtigen Dinge falsch machen: how-to
Zu allererst eine Frage: bist du Perfektionist:in? Ganz wunderbar, dann hast du überall Möglichkeiten, das Fehler-machen zu auszuprobieren. Denn wenn möglichst oft alles perfekt sein soll, gibt es unzählige Fehlermöglichkeiten. Auch wenn andere die gar nicht wahrnehmen - du kennst sie alle. Und jetzt komme ich mit Pareto um's Eck. So. Das Anti-Perfektionismus-Prinzip. Das geht in etwas so: Fleiß? Übertrieben! Pareto besagt so etwas wie: mit zwanzig Prozent deiner Zeit wirst du achtzig Prozent des Ergebnisses erzielen. Wenn du mehr als diese achtzig Prozent schaffen willst, musst du unverhältnismäßig mehr Zeit - nämlich die restlichen achtzig Prozent investieren! Erwäge also regelmäßig ob nicht die achtzig-Prozent-Ergebnis-Variante ausreicht. Das Spannende: du musst gar nicht mit der achtzig-Prozent-Lösung zufrieden sein - und du musst auch nicht bei den achtzig Prozent aufhören. Aber: spätestens bei der achtzig-Prozent-Marke heißt es: bring es ins Leben. Stell das Ding zum Beispiel anderen Menschen vor und lerne von den Rückmeldungen. Damit sind wir wieder beim Prototyping. Gehe das Risiko ein, Fehler nicht von vornherein beseitigt zu haben - denn es könnte sein, dass du die falschen Fehler behebst und die ganze Sache damit verschlimmbesserst. Gib der Welt, deinen Kunden, deinen Nachbarn - wem auch immer - die Chance selbst die Fehler zu finden. Und dann freut euch daran, dass es etwas gibt, an dem man weiter basteln und forschen kann. Sei dabei immer nett und nachsichtig mit dir und suche dir immer eine gute Balance am Rande der Komfortzone. So, dass es sich gut anfühlt, weiter zu gehen.
Gehe weiter - nicht schneller
Wenn wir schon von Prototypen sprechen, dann wäre jetzt der Punkt, an dem das Thema Iterationen zur Sprache kommt. Der erste Wurf kann und soll nicht perfekt sein. Wachse mit deinem Projekt und bring es ins Leben, indem du Fehler da sein lässt. Immer und immer wieder. So gehst du Schicht für Schicht immer tiefer und gewinnst ein wirklich umfassendes Verständnis. Eben dadurch, dass du bewusst das "Risiko" eingegangen bist, Fehler zu provozieren. Wenn du neue Wege gehen willst, mach dir Versuch und Irrtum zu guten Freunden.
"Wenn du neue Wege gehen willst, mach dir Versuch und Irrtum zu guten Freunden. "
Und nochmal: sei dabei wirklich freundlich mit dir selbst. Wir sind es nicht gewohnt, Fehler zu machen und es kann sich wirklich blöd anfühlen. Da liegt Gold für uns vergraben, weil wir dabei viel über uns selbst und unseren Umgang mit uns lernen können. Können wir nett mit uns selbst sein, auch wenn wir gerade richtig im Fettnapf gebadet haben? Schau mal, was dich so antreibt. Ist es vielleicht ein leises oder auch lautes "Sei perfekt!", das uns immer wieder ins Korn jagt? Sorge gut für dich, dann gewinnst du auch die Kraft, die es braucht wenn wir uns auf den Fehler-Weg machen. Und dann gehe immer weiter. Runde um Runde.
Und nun?
Tja, was machen wir jetzt damit? Na: Fehler! Du kannst auch mit ganz kleinen anfangen. 😉 Spaß beiseite, ich hab eine Aufgabe für dich: probier etwas aus, etwas auf das du eigentlich tierisch Lust hast. Etwas, das dir ein wenig Bauchgrummen und ein Kribbeln beschert - aber so, dass es schon noch gut auszuhalten ist. Und dann probier es aus. Zum Beispiel eine Email etwas prägnanter formulieren, anstatt umschweifend-höflich. Am Landungssteg Gitarre üben. Einen unperfekten Blogartikel nach nur zweimaligem Korrigieren veröffentlichen. Eine neue Eissorte ausprobieren. Mit einer Idee direkt auf den Chef-Chef-Chef zugehen. Deine Lieblingsklamotten im Office oder im Online-Meeting tragen (ja, auch Bauchnabel-aufwärts!). Ungeschminkt rausgehen. Potenziellen Kunden das unfertige Konzept zeigen. Und so weiter. Es kann wirklich alles mögliche sein! Hauptsache du hast das Gefühl "Das könnte ein Fehler sein!" oder "Da sind noch so viele Fehler drin!". 😉 Und wenn es sich dann doof anfühlt - schmier dich direkt mit deiner besten Self-Love-Ganzkörper-Lotion ein und feier dich ausgiebig!
Viel Spaß beim Ausprobieren! Deine Rebecca