Warst du schon mal voll und ganz bei einer Sache? Ich meine keine analytische Sache, ich meine eine Sache, bei der du dich selbst spüren konntest. Oder jemand anderen oder das Leben. Momente, in denen Impulse das Einzige waren, das dich aufhorchen ließ? Das ist Präsenz, wie ich sie erlebt habe. Und genau in diesen Momenten war ich echten Erkenntnissen und Durchbrüchen so nah wie nie.
Was ist Präsenz?
Präsenz bedeutet für mich: im jetzigen Augenblick zu leben. Nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Der Geist ist wach, aber ruhig und geduldig. Er wartet auf Impulse, die vom Körper aufsteigen. Er hält den Fokus und den Raum für das, womit wir uns beschäftigen: unser Kind, unseren Partner, unseren Coachee, unser Kunstwerk, unseren Song, unseren Nachbarn, unser Haustier. Wir können für alles präsent sein; für alles, was mit uns in diesem Moment in Beziehung tritt. Alle Ablenkung liegt im Hintergrund - wir sind völlig für diese eine Sache, für dieses eine Lebewesen da. Mit einer vertrauens- und liebevollen Haltung der Offenheit und Neugier. Damit sich zeigen kann, was sonst verborgen bliebe.
Präsenz in Life Design und Life Crafting
Hinter Life Design steckt vor allem die Design Thinking Methodologie. Beim Design Thinking handelt es sich um eine Innovationsmethode, die völlig nutzerzentrierte Lösungen hervorbringen kann und am Beginn des Prozesses steht üblicherweise das Designproblem. Das ist eine Formulierung, die dabei hilft festzuhalten, was überhaupt gelöst werden möchte. Designprobleme sind aber nicht nur der Startschuss. In meinen Augen tauchen sie gerne auch während des Prozesses auf und sie sind der Grund, weshalb ich lieber von Life Crafting spreche als von Life Design. Ich meine damit die Herausforderungen auf dem Weg zur Lösung des ursprünglichen Designproblems. Es ist eine Doppeldeutigkeit, ja. Aber ich finde sie wertvoll. Denn sie bringt Tiefe und Flexibilität in unsere Lösungsansätze.
Wenn du mehr über den Unterschied zwischen Life Design und Life Crafting erfahren möchtest, kannst du in diesem Artikel mehr in die Tiefe gehe: Mit Life-Crafting den eigenen Weg gestalten
Während *Life Design* nutzerorientierte und innovative Neulösungen hervorbringt, liegt der Fokus von *Life Crafting* auf der Umsetzung und setzt seinen Fokus vor allem auf vermeintliche Widersprüche und Widerstände. Während Life Design das "Was" vorschlägt, hilft Life Crafting dabei, das individuelle "Wie" nachhaltig zu gestalten. Wenn wir also bei dem Versuch unser Wunschdesign umzusetzen irgendwo hängen bleiben, kommt Life Crafting ins Spiel. Ein hilfreicher Ansatz, Herausforderungen zu begegnen, kann Präsenz sein. In diesem Artikel geht es also darum, wie uns Präsenz dabei helfen kann, mit sich auf dem Weg zeigenden Hindernissen zu arbeiten.
Warum also halte ich Präsenz für so wertvoll? Präsenz gibt dem Raum, was da sein will und Präsenz ist absolut im Moment. Hier meine 3 Lieblingsgründe, weshalb ich Präsenz für so wertvoll halte:
#1 Präsenz ist beziehungsorientiert
Leben ist Beziehung. Daher haben viele unserer Herausforderungen auch in irgendeiner Weise mit Beziehungen zu tun. Wenn man sich sein Leben selbst gestalten will, kann man das nicht ohne seine Lieben machen. Sie gehören einfach dazu. Und sie alle haben ihre Grenzen und Bedürfnisse - genau wie wir. Mit anderen in Kontakt zu sein, ohne sich selbst aufzugeben - eine Kunst für sich. Welche Rolle da das präsent sein spielen kann? Dazu hab ich eine kleine Geschichte: kürzlich waren mein Mann, unsere zwei Kids und ich beim Wandern. Unser Fünfjähriger bog an allen möglichen und unmöglichen Stellen vom Weg ab, um die Umgebung an dem kleinen Bachlauf zu erkunden. Wir kamen nicht nur nicht voran, sondern es wurde einfach immer lauter in der Idylle: wenn sich der kleine Mann nicht allein weiter traute, rief er lautstark und war schwer beleidigt, wenn sich niemand für seinen Weg interessierte. Schließlich schrie er die halbe Schlucht zusammen, sodass wir kurz etwas ratlos waren und mein Mann schon mit ihm zum Auto zurückgehen wollte. Aus einem Impuls heraus schickte ich spontan Mann und Kind Nummer 1 auf dem Wanderweg vor und blieb mit unserem Wut-Kerlchen zurück. Wie ging es weiter?
Ich erklärte ihm, dass ich gerade nicht genug Energie hätte, ihm jeden Meter hinterherzulaufen und ich fragte ihn, was denn los sei und was er brauche. Da bracht es aus ihm heraus: "Nie wollt ihr da lang wo ich hin will und immer wollt ihr bestimmen!!" Ich ging zu ihm und nahm ihn auf den Arm. Er schluchzte. Dann setzte ich ihn wieder auf den Boden und sagte zu ihm: "Weißt du, uns geht es ja genau gleich. Du willst nicht da lang wo wir lang wollen und du willst immer bestimmen. Und weißt du was? Es ist völlig normal, dass Menschen verschiedene Dinge wollen. Dann muss man einfach schauen, wie man sich in der Mitte treffen kann." Stille. Dann gingen wir zu den anderen. Das Drama war absolut kein Thema mehr und wir hatten einen fantastischen Tag in einer fantastischen zypriotischen Schlucht.
Mit Präsenz trittst du in eine echte, nicht beeinflussende Beziehung ein. Alles darf da sein. Dadurch können sich Dinge entfalten, die sonst beiseite gedrückt würden. Natürlich beseitigt das nicht alle Herausforderungen - aber es kann eine weitere Schicht auf dem Weg lösen.
Ich erklärte ihm, dass ich gerade nicht genug Energie hätte, ihm jeden Meter hinterherzulaufen und ich fragte ihn, was denn los sei und was er brauche. Da bracht es aus ihm heraus: "Nie wollt ihr da lang wo ich hin will und immer wollt ihr bestimmen!!" Ich ging zu ihm und nahm ihn auf den Arm. Er schluchzte. Dann setzte ich ihn wieder auf den Boden und sagte zu ihm: "Weißt du, uns geht es ja genau gleich. Du willst nicht da lang wo wir lang wollen und du willst immer bestimmen. Und weißt du was? Es ist völlig normal, dass Menschen verschiedene Dinge wollen. Dann muss man einfach schauen, wie man sich in der Mitte treffen kann." Stille. Dann gingen wir zu den anderen. Das Drama war absolut kein Thema mehr und wir hatten einen fantastischen Tag in einer fantastischen zypriotischen Schlucht.
Mit Präsenz trittst du in eine echte, nicht beeinflussende Beziehung ein. Alles darf da sein. Dadurch können sich Dinge entfalten, die sonst beiseite gedrückt würden. Natürlich beseitigt das nicht alle Herausforderungen - aber es kann eine weitere Schicht auf dem Weg lösen.
#2 Präsenz hat keinen eigenen Plan
In den Momenten, in denen wir völlig präsent sind, sind wir nur im Hier und im Jetzt. Es gibt keine Vorgeschichte, die der Kopf abspielt und keine Ängste, die im Bauch herumwuseln. Es werden keine alten Geschichten aufgewärmt. Man gibt dem Moment eine völlig neue Chance. Vollkommen neugierig und neutral. So als hätte es noch nie ein Drama gegeben, das sich eventuell wiederholen könnte. Keine Angst vor der Zukunft und davor, dass jetzt etwas schieflaufen könnte. Der Kopf ist völlig ruhig. Vergangenheit und Zukunft spielen einfach keine Rolle. So spürt man besser. Sich selbst und das Lebewesen oder das Ding, mit dem man sich gerade beschäftigt. Man nimmt nur die Impulse wahr, die jetzt relevant sind.
Der Kopf ist dabei wach und bereit. Er hilft, die Impulse - sobald sie auftauchen - nahezu in Echtzeit umzusetzen. Und wenn das bedeutet, dass man weint, weil man nicht weiter weiß, dann ist auch das ok. Dadurch, dass nicht entweder der Kopf oder der Bauch dominiert, sondern beides miteinander interagiert, spüren wir besser und das wiederum schafft Raum für tiefgründig hilfreiche Impulse. Neue Lösungsansätze werden auf dem Silbertablett serviert.
In völliger Präsenz gibt der Kopf jeden Plan auf. Auch den gut gemeinten. Es gibt kein Ziel und keine ach so passende eigene Agenda, sondern nur noch Offenheit und Neugier. Es gibt einzig, Vertrauen in den Prozess.
In völliger Präsenz gibt der Kopf jeden Plan auf. Auch den gut gemeinten. Es gibt kein Ziel und keine ach so passende eigene Agenda, sondern nur noch Offenheit und Neugier. Es gibt einzig, Vertrauen in den Prozess.
In diesem Artikel habe ich über das Konzept "Vertrauen" geschrieben: Veränderung braucht Vertrauen
Dabei löst ein Sein das Wollen ab. Man will nichts verändern oder entfernen. Man bewundert den Augenblick. Dadurch trauen sich die Regungen ans Licht, die sonst gut verborgen werden. Wenn man sie da sein lässt, bekommen sie Gelegenheit, sich zu transformieren.
Übrigens: Was noch nicht dran ist, ist eben noch nicht dran. Auch gut. Manche Türen oder Fenster entscheiden selbst, wann sie geöffnet werden wollen. Und auch geschlossene Fenster können super hübsch sein - und uns dazu einladen, für den Moment einfach weiterzugehen.
#3 Präsenz ist gelebtes Abenteuer
Mithilfe von Präsenz sieht man die Dinge an sich. Natürlich hat das auch immer etwas mit uns selbst zu tun. Nicht umsonst heißt es, wir sehen die Dinge nicht wie sie sind, sondern wie wir sind. Präsenz hilft uns dabei, dem ein Stück weit beizukommen. Denn in Präsenz wollen wir nichts verändern. Sondern wir lassen uns voll und ganz auf etwas völlig Unbekanntes ein, denn wir können nicht voraussehen, was geschehen wird. Das ist echtes Abenteuer. Denn ohne Plan kann man sich nur auf das einlassen, was einem vom Leben angeboten wird, anstatt "nur" vom eigenen Gehirn.
Normalerweise sorgt unser Gehirn dafür, dass wir Bekanntes nutzen. Es filtert also einen Großteil der Informationen von außen einfach weg - um uns zu schützen. Will man neue Lösungen finden, ist das ziemlich unpraktisch, weil man einfach etwas abspielt oder vorgespielt bekommt, das aktuell vielleicht überhaupt so gar nicht hilfreich ist.
In diesem Artikel habe ich erklärt, was es mit der automatischen Muster-Aktivierung auf sich hat: Selbstführung durch eine Pause vom Reagieren
Wir wollen dabei das Gehirn nicht völlig ausschließen. Wir brauchen es auch weiterhin. 😉 In Präsenz arbeiten die Filter anders. Meine Erfahrung: eigene Muster springen in diesen wertvollen Momenten nicht vollautomatisch an. So werden neue Wege sichtbar. Und praktischerweise auch direkt gleich beschritten. Denn in Präsenz wird direkt umgesetzt. Was da sein will, ist sofort da. Man überlegt sich nicht, wie man es anders machen will. Man macht es einfach anders. Weil es der Moment so braucht. Weil der Moment einen dorthin führt. Sich dem Moment überlassen. Wie im Flow. Vielleicht mit etwas mehr Pause. Denn Präsenz ist ganz viel Pause. Pause vom Tun und Machen. Und trotzdem bleibt nichts ungetan.
Sich selbst Präsenz schenken
Präsenz kannst du nicht nur für andere Lebewesen und Situationen entwickeln. Du kannst sie dir auch selbst schenken. Stell dir vor, du unterbrichst negative innere Bewertungen für einen Augenblick und siehst dich selbst mit einem liebevollen und neugierigen Blick. Einem Blick, der nichts verändern will und der all deinen Frust einfach da sein lassen kann. So als würde eine Mami ihrem kleinen Kind im Arm sagen: "Och, das fühlt sich grad richtig blöd an, stimmt's? Das versteh' ich!". Der Zauber ist: nichts muss von irgendwem verändert werden. Die Gefühle nicht, die Situation nicht. Die Dinge sind vielleicht einfach mal, wie sie sind. Das ist ok. Wenn wir das wirklich zulassen können und uns (von uns) selbst gesehen fühlen, wird völlig automatisch Raum für Neues.
Bin ich selbst ständig vollkommen präsent? Nope. Noch nicht mal annähernd. Präsenz hat viel mit Essentialismus zu tun. Mit dem Blick für das Wesentliche. Wie oft haben wir einen Blick für das Wesentliche? Wie oft hetzen wir durch den Alltag? Wie oft lassen wir uns ablenken? Wie oft hängen wir Gedanken nach? Genau. Für mich ist Präsenz etwas Besonderes. Würde ich mehr Präsenz von mir verlangen, wäre ein Druck da, der überhaupt nicht hilfreich ist. Es sind besondere Momente, in denen ich dieses Geschenk wirklich geben kann. Und sie kommen selten geplant. Es braucht diesen einen Impuls für den Start. Und oft sind es die problematischen Augenblicke, die ihn auslösen. Und trotzdem übe ich mich darin. Ich übe mich darin, die Momente im Dazwischen wahrzunehmen. Die Momente, in denen es von Bedeutung ist, dass ich völlig präsent bin.
Bin ich selbst ständig vollkommen präsent? Nope. Noch nicht mal annähernd. Präsenz hat viel mit Essentialismus zu tun. Mit dem Blick für das Wesentliche. Wie oft haben wir einen Blick für das Wesentliche? Wie oft hetzen wir durch den Alltag? Wie oft lassen wir uns ablenken? Wie oft hängen wir Gedanken nach? Genau. Für mich ist Präsenz etwas Besonderes. Würde ich mehr Präsenz von mir verlangen, wäre ein Druck da, der überhaupt nicht hilfreich ist. Es sind besondere Momente, in denen ich dieses Geschenk wirklich geben kann. Und sie kommen selten geplant. Es braucht diesen einen Impuls für den Start. Und oft sind es die problematischen Augenblicke, die ihn auslösen. Und trotzdem übe ich mich darin. Ich übe mich darin, die Momente im Dazwischen wahrzunehmen. Die Momente, in denen es von Bedeutung ist, dass ich völlig präsent bin.
Life Design und Life Crafting haben für mich viel mit meinen Beziehungen und meinen Lieblingstätigkeiten zu tun. Meine Beziehungen erlebe ich als viel harmonischer, wenn ich präsent bin und auch die Dinge, die ich gerne mache, werden stimmiger, wenn ich mich voll und ganz auf sie einlassen kann. Bei meinen Beziehungen hilft mir beispielsweise der Gedanke: Wie lasse ich Menschen über sich selbst denken und fühlen? Gehen sie gestärkt weiter? Hier geht es nicht um Motivationssprüche, sondern ein tiefes "Ich bin gut, genau so wie ich jetzt bin. Und ich werde geschätzt genau so wie ich jetzt bin." Und das kann man auch auf sein eigenes Spiegelbild anwenden. Das kann sogar Spaß machen!
Wie du selbst mehr in Präsenz kommen kannst
Wie soll das jetzt ganz praktisch gehen? Ich hab ein paar Vorschläge:
#1 Präsenz ist ein Geschenk für dich und andere
Reminder: es sind besondere Momente. Alles andere kann überfordern. Also, kleine Schritte. Wer verteilt schon jeden Tag oder jede Stunde Geschenke, ohne dabei völlig durchzudrehen?
#2 Die Momente in denen du dich gut fühlen kannst, sind eine Spur
Wann ist dein Kopf etwas ruhiger? Bei mir ist das zum Beispiel der Fall, wenn ich geführte Meditationen anhöre oder wenn ich meine Lieblings-Instrumental-Musik höre und dabei irgendetwas tue (tanzen oder schreiben zum Beispiel) oder wenn ich etwas mache, das mir wirklich Freude bereitet. Artikel und Songs, die ich in diesem Zustand schreibe, entstehen schneller, leichter und tiefgründiger.
#3 Wenn du nicht weiter weißt, drück die Stop-Taste
Wenn ich mal end-frustriert bin, ist das meist eine nachdrückliche Einladung vom Leben, mehr in die Präsenz zu kommen und wirklich hinzuschauen, was gerade eigentlich WIRKLICH dran ist. Wenn es mir gelingt, in dieses Dazwischen zu hüpfen und es für einen Moment zu halten, komme ich oft sehr schnell sehr tief - und gehe raus mit neuen Handlungsimpulsen.
#4 Sorge gut für dich
Präsenz ist für mich oft nur dann gut erreichbar, wenn es mir gut geht. Gehe ich schon zu lange über meine eigenen Grenzen oder kränkele ich, schaltet der Körper auf autonome Modi und lässt sich (aus gutem Grund) auch nicht mehr dazu bewegen, die Steuerung wieder rauszurücken. Er macht das, was sein Job ist: das Überleben sichern. Deshalb heißt es: wer für andere Menschen und Dinge präsent sein möchte, darf sich an erster Stelle vor allem um sich selbst kümmern. Wie lade ich meine Batterien wieder auf? Was brauche ich? Was fühle ich? Was tut mir gut? Gönne ich mir auch wirklich genug davon?
#5 Probier aus was für dich funktioniert
Was für mich funktioniert, kann für dich super "unhilfreich" sein. Sei neugierig und probiere aus, was dir guttut und was es für dich persönlich bedeutet, wirklich präsent zu sein. Sei experimentierfreudig und vor allem: geduldig mit dir selbst. Genieße die Reise und den Ausblick. Und wenn dir das gerade nicht möglich ist, weil einfach alles mega doof ist, dann ist auch das ok. Gehe mit dem, was ist.
Präsenz hat sicher noch tausende andere Aspekte, aber zuletzt ist sie immer eines: individuell und vor allem vollkommen persönlich. Ich lade dich ein, dieses Abenteuer einfach mal auszuprobieren und zu beobachten, wohin es dich trägt.
Viel Freude beim präsent sein. 🙂
Deine Rebecca
Viel Freude beim präsent sein. 🙂
Deine Rebecca
Fotos: R. Kleint